09.07.2017

Ratlosigkeit im Rat - nicht nur im Umgang mit der AfD

Auf einen netten Empfang konnte die neue Ratsfraktion der AfD Anfang November ohnehin nicht hoffen, schließlich mussten für die Neuankömmlinge erst einmal ein paar besetzte Sitze freigeräumt werden. Besonders unangenehm ist für die Altparteien, dass die AfD nun auch noch unbequeme Fragen stellt.

Die Reaktionen darauf dokumentiert Andreas Schinkel in seinem Artikel in der HAZ vom 2. Juli 2017. Von einer vergifteten Atmosphäre, einem aggressiven Grundtenor und fehlenden kommunalpolitischen Ideen aufseiten der AfD ist die Rede.

Für viel wichtiger als neue Ideen hält die AfD jedoch eine solide Finanzierung der kommunalen Aufgaben ohne Neuverschuldung. Dazu gehört eine ausreichende Anzahl an Kita-Plätzen ebenso wie sanierte Schulgebäude oder der von den Bürgern gewünschte Erhalt des Außenbeckens im Fössebad. Doch das hauptsächliche Streitthema ist die Finanzierung der Asylunterkünfte, die schwer auf der Stadtkasse lasten. Letztlich hat dies sogar zur erneuten Schuldenaufnahme unserer Kommune geführt.

Kann sich die Stadt Hannover eine Migrationskrise leisten?

Offenbar nicht. Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man einen Blick in den hauseigenen Flüchtlingsbericht der Stadt Hannover wirft und verantwortungsvolle Kommunalpolitik betreiben will.

Von den migrationsbedingten Aufwendungen in Höhe von 210 Millionen Euro in den drei Jahren 2014, 2015 und 2016 sowie den zusätzlich angefallenen Investitionskosten von rund 88,7 Mio. Euro im selben Zeitraum schlummert ein Großteil im Schuldenberg der Stadtkasse. Die vom Land Niedersachen versprochenen Ausgleichszahlungen (jährlich 9.500 Euro pro Flüchtling in 2016 und 10.000 Euro ab 2017) decken dabei bei weitem nicht die Kosten von ca. 20.000 Euro pro Jahr und pro Person.

Ein Zustand, der eigentlich alle Ratsfraktionen unzufrieden stimmen sollte.

Bis jetzt ist mit knapp über 88 Mio. € nur ein Bruchteil der Kosten erstattet worden und es bahnt sich ein weiteres Problem an: Sind die Asylanträge erst einmal anerkannt, obliegt es der Kommune, für die Versorgung des Neubürgers geradezustehen. Unruhige See für den sympathischen neuen Stadtkämmerer in Hannover.

Doch über solche Themen spricht man im Rat äußerst ungern – natürlich nicht ganz uneigennützig, wie sich herausstellt.

Der SPD-angehörende Oberbürgermeister Schostok und die SPD-Fraktionsvorsitzende Kastning müssten Druck auf ihren Parteikollegen Stephan Weil auf Landesebene ausüben, um die Stadtkasse den politischen Versprechungen gemäß nicht mit der Migrationskrise zu belasten. „Die Gespräche laufen“, antwortet die Verwaltung auf eine entsprechende Anfrage der AfD-Fraktion. Man kann sich fast sicher sein, dass die Gespräche bis nach Bundes- und Landtagswahl laufen werden. Streng geheim natürlich.

„Stupide Hetze gegen Ausländer“, so versucht auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Seidel vom Thema wegzulocken. Gerade Herr Seidel steht jedoch vor einem Dilemma: Als verantwortungsvoller Kommunalpolitiker müsste er einräumen, dass die CDU-Parteispitze in Berlin seine Heimatstadt Hannover in finanzielle Nöte bringt – so kurz vor der Wahl undenkbar. Weitgehend manövrierunfähig dümpelt die CDU nun im Rat vor sich hin und treibt in der Frage der Neuverschuldung weiter flussabwärts.

Auch die anderen Fraktionen lassen in Schinkels Zustandsanalyse natürlich kein gutes Wort über die AfD fallen. Sehr gelegen kommen den Altparteien da die kleinen Anfängerfehler ihrer neuen Kollegen. Von „Welpenschutz“ (Grüne) keine Spur. Manches Ratsmitglied sieht sich wohl weniger als Volksvertreter, sondern vielmehr als Vertreter seiner Bundespartei auf kommunaler Ebene. Die Herangehensweise der etablierten Parteien wird dabei offensichtlich: Ihre Bundes- und Landespolitiker in schillerndes Licht rücken und die Schulden auf kommunaler Ebene großflächig verteilen.

Entlastung von Familien

Doch die AfD kritisiert nicht nur, es wurde auch ein ganz pragmatischer Vorschlag zur Diskussion gestellt, nämlich die Kürzung der vielen Zuschüsse an Vereine und private Institutionen zugunsten einer kostenfreien Kitabetreuung. Ein Vorschlag, der sicherlich näher am Lebensalltag der in Hannover stark belasteten Familien liegt als das Vereinsleben. Dass die AfD den Rotstift dabei natürlich nicht selten bei linkslastigen Vereinen ansetzen muss, ist kein Wunder: Rechtslastige Vereine, die aus der Stadtkasse großzügig bezuschusst werden, sind nicht existent. Entsetzt lehnt die Ratsmehrheit solch einen Vorschlag ab. Die Kita-Gebühren werden aufgrund der knappen Kassenlage sogar noch erhöht. Wenn es der Stadt Hannover in Zeiten boomender Wirtschaft und sprudelnder Steuereinnahmen nicht gelingt, ohne Gebührenerhöhungen und neue Schulden auszukommen, wann soll es denn dann gelingen? Das fragt man sich in der AfD-Fraktion. Unter solchen Umständen wird sich die Zahl der Redeausflüge in Richtung Bundes- und Landespolitik sicherlich nicht verringern. Von diesem Standpunkt aus stimmt die AfD den anderen Fraktionen ausnahmsweise zu: Ganz schön unbequeme Typen, die Jungs von der AfD.