18.3.2017

Haushaltsdebatte - Teil 2: Splitter

Nicht nur die SPD-Fraktionsvorsitzende Christine Kastning, aber die besonders, machte deutlich, wie ablehnend sie der AfD gegenübersteht, wie schlimm es für "das demokratische Gemeinwesen" wäre, wenn es beim Haushalt nach der AfD ginge: "Sie wollen nur streichen. Wenn es nach Ihnen ginge, wäre Hannover grau statt bunt."

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Der CDU muss zugutegehalten werden, dass sie sich gelegentlich resistent gegen allzu haltlose "bunte" Träumereien und Illusionen zeigt, dass sie sich von der Realität streifen lässt. Der Fraktionsvorsitzende Jens Seidel sprach immerhin an, dass sich ein Drittel der Frauen in Norddeutschland abends unsicher fühlen und dass sogar 62 Prozent bestimmte Gegenden meiden.

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Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Dr. Freya Markowis bemängelte an den AfD-Anträgen, es gehe dabei ausschließlich um Kürzungen. Sie, die Grünen, hätten aber alle Menschen im Blick. (Das zielte offenbar auf die von der AfD bekämpften üppigen Alimentierungen aller möglichen Gruppen und Sonderinteressen.) Und außerdem verstärke die AfD Ängste von Menschen, die sich nicht wohlfühlen. Den weitaus größten Teil ihres Debattenbeitrags nahm jedoch ein schwärmerisches Loblied auf das Fahrrad ein.

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Die Stadt will in den nächsten Jahren über 300 neue Stellen schaffen. In der Pressemitteilung aus dem Rathaus heißt es zum Haushalt in einer Zwischenüberschrift: "Gut 300 zusätzliche Arbeitsplätze geplant". Nicht ungeschickt: "Arbeitsplätze" klingt besser. Als ob es etwas einbringt statt kostet. Sören Hauptstein erinnerte übrigens daran, dass seit 2011 bereits 1.000 neue Stellen aufgebaut wurden. - Wie soll da jemals ein Schuldenabbau möglich sein?

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Der schon im ersten Teil erwähnte FDP-Ratsherr Engelke legt großen Wert darauf, dass Hannover "bunt und weltoffen" ist. Deshalb sagte er es auch gleich zweimal. Die 65 Anträge der AfD-Fraktion könnten sie en bloc ablehnen, empfahl er im Übrigen seinen Ratskollegen. Dann sagte er noch etwas von "Hasstiraden" und "Angst der Bürger" in Richtung AfD. (Ja, ja, geschenkt.)

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Dann gab es auch noch nervende Clownerien eines jungen Mannes mit Art Irokesenfigur, von einer Fraktion, die sich - witzig, witzig - "Die Fraktion" nennt. Nicht weiter erwähnenswert, bis auf die Tatsache, dass er im Eindreschen auf die AfD den etablierten Parteien in nichts nachstand, sie sogar noch übertraf. Was für eine langweilige "Spaßpartei".

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Da tat die darauffolgende ausgezeichnete Rede des Ratsherrn Gerhard Wruck von den "Hannoveranern" besonders gut. Auch wenn der Inhalt sehr düster war. Düster, aber unbedingt realistisch. Wruck sieht unser Land auf dem Weg zur Unregierbarkeit, zum gescheiterten Staat. Die Zerstörung unserer Sozialsysteme sei unabwendbar, wenn man Hunderttausende Analphabeten ins Land einlade, hinzu komme massenhafter Sozialbetrug. Ein Sozialstaat sei an den Nationalstaat und dessen Bürger gebunden. Gebe man dieses Prinzip auf, sei das so, als ob man im Winter zugleich die Heizung aufdreht und die Fenster aufmacht. Angebliche "Flüchtlinge", die an der Grenze ihre Pässe wegwerfen, seien keine Flüchtlinge, sondern Abenteurer (ein Wort, das ihm später heftige Kritik einbrachte).

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Es sei auch noch angemerkt, dass die "Hannoveraner" den Anträgen der AfD fast durchweg zustimmten, als einzige - "gegen den Rest der Welt".

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"Nie wurden mehr Polizisten ausgebildet als heute, nie werden mehr in Dienst gestellt", brüstete sich die SPD bei der Debatte um Sicherheitskonzepte. - Da kann die AfD nur sagen: Es waren - bei erodierender Innerer Sicherheit! - ja auch nie mehr nötig als heute!

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Bürgermeisterin Regine Kramarek von den Grünen brannte, in Richtung AfD und "Hannoveraner" gewandt, eigener Aussage zufolge etwas auf der Seele, nämlich die Sache mit den Flüchtlingen. 4.900 davon gebe es in der Stadt, das seien weniger als ein Prozent der Bevölkerung. (Sollte wohl heißen, man solle sich nicht so haben.) Und in den USA gebe es 12 Millionen Flüchtlinge (eine Aussage, die etwas rätselhaft blieb, aber sie ist tatsächlich so gefallen.) Und außerdem seien es keine "Abenteurer" (siehe oben), sondern Schutzsuchende. Kramarek sprach von "schamloser Ignoranz", und davon, dass die "Bürgerinnen und Bürger" getäuscht würden. - Den Vorwurf der Ignoranz gab der Angesprochene unter beifälligem Nicken der AfD-Fraktion zurück.

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Debattiert wurde auch über das "Haus der Religionen", und es erging von irgendjemandem der Appell an die AfD, sie möge doch bitte "Toleranz üben". AfD-Ratsherr Reinhard Hirche stellte klar, dass die AfD nicht gegen Glaubensfreiheit sei, nur gegen Masseneinwanderung aus arabischen Ländern. Worauf FDP-Ratsherr Patrick Döring sagte: "Aber sie findet doch statt!" (Als sei das ein unabwendbares Naturereignis.)

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Großer "Clash of Cultures", als es um das "Antragspaket 1" der AfD ging, also um die Themen Gleichstellung, Vielfalt, Gender (das ganze Programm eben). "Ihre Ideologie widerspricht unseren Vorstellungen diametral", hieß dazu von den Grünen. (Wo sie recht haben, haben sie recht.) Sören Hauptstein kritisierte den hohen bürokratischen Aufwand, der bei dieser ganzen Differenzierung nach Männern und Frauen (und sonst noch was) entsteht. Hauptstein bündig: "Es ist doch egal, wer den Job macht, Hauptsache, er macht ihn gut."

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Und noch einmal Grundsätzliches gegen Ende der fast zehnstündigen Debatte: Die Generalabrechnung von AfD-Ratsherr Roland Herrmann mit der "grandios gescheiterten" Integration und der desaströsen deutschen "Flüchtlingspolitik": Bürgerkriegsszenen in Frankreich, EU gespalten, BREXIT, osteuropäische Staaten, die sich Merkels Politik verweigern. Herrmann erinnerte an den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, der mit Blick auf Merkels Grenzöffnung von einer "Herrschaft des Unrechts" gesprochen hatte und an den ehemaligen Verfassungsrichter Udo Di Fabio, der dieser Politik Verfassungswidrigkeit attestiert hatte

"Welches Recht haben Sie, die Verfassung zu brechen?", fragte Herrmann, "aber uns stellen Sie im Rat als Buhmänner hin!" Dabei wüssten der Oberbürgermeister und der Stadtkämmerer doch genau, dass nur die wenigsten wirklich Verfolgte sind. "Wir sind keine Menschenfeinde, wir helfen Menschen in Not. Aber die, die wirklich in Not sind, sind noch vor Ort, die haben nämlich kein Geld für die Schlepper", so Herrmann.

Doch so gut und überzeugend und unwiderlegbar die Argumente der AfD auch unbestreitbar sind, ausrichten konnten sie gegen die ideologische Verbohrtheit der meisten Ratsmitglieder nichts. Die AfD ist und bleibt nun einmal böse. Besonders die SPD-Fraktionsvorsitzenden Christine Kastning tat sich immer wieder hervor: Die AfD sei nicht für ein gutes Zusammenleben mit allen Menschen hier geeignet; man wolle dafür kämpfen, dass es die AfD nach der nächsten Wahl nicht mehr im Rathaus gebe.Was sie sich aber abschminken kann, um es mal salopp zu sagen. AfD-Ratsherr Reinhard Hirche sagte es so: "Sie müssen sich daran gewöhnen, dass wir auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten hier sein werden.“